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„Können Sie eigentlich Ball spielen?“ – Grundschulkinder und Menschen mit Behinderungen kommen zusammen bei „Toleranz durch Dialog“

Foto: Bei „Toleranz durch Dialog“ berichten Menschen mit Behinderungen Kindern an Grundschulen von ihrem Leben, beantworten deren Fragen und geben ihnen die Gelegenheit, selbst einmal in die Rolle des Gegenübers zu schlüpfen. Den Auftakt für die Neuauflage der Maßnahme machte kürzlich (29.02., 01.03.) die Paul-Noack-Grundschule in Schipkau. Hier referierten mit Dirk Schulze, Martin Große und Rainer Engelmann drei Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. (Fotos Landkreis/Werner) (Bild vergrößern)
Bild zur Meldung: Foto: Bei „Toleranz durch Dialog“ berichten Menschen mit Behinderungen Kindern an Grundschulen von ihrem Leben, beantworten deren Fragen und geben ihnen die Gelegenheit, selbst einmal in die Rolle des Gegenübers zu schlüpfen. Den Auftakt für die Neuauflage der Maßnahme machte kürzlich (29.02., 01.03.) die Paul-Noack-Grundschule in Schipkau. Hier referierten mit Dirk Schulze, Martin Große und Rainer Engelmann drei Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. (Fotos Landkreis/Werner)

Woher wissen blinde Menschen, ob es Tag oder Nacht ist? Wie kommen Rollstuhlfahrer über einen Bordstein, wie in die eigene Kleidung? Und was ist eigentlich die Braille-Schrift? In der vergangenen Woche startete im Landkreis OSL „Toleranz durch Dialog“ in einer Neuauflage. Dabei berichten Menschen mit Behinderungen Kindern an Grundschulen von ihrem Leben, beantworten deren Fragen und geben ihnen die Gelegenheit, durch eigenes Erleben selbst einmal in die Rolle des Gegenübers zu schlüpfen. Den Auftakt machte am Donnerstag und Freitag (29.02., 01.03.) die Paul-Noack-Grundschule in Schipkau.

 

Dort stand für die über 50 Jungen und Mädchen der 5. und 6. Klassen – jeweils unterteilt in zwei Gruppen - der Unterricht der etwas anderen Art auf dem Programm. In der Turnhalle empfingen sie Dirk Schulze und Martin Große. Der Doberlug-Kirchhainer Dirk Schulze ist seit einem Motorradunfall 2012 querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Mittlerweile engagiert er sich regelmäßig in Inklusionsprojekten. Der Senftenberger Martin Große kam aufgrund eines Sauerstoffmangels in der Schwangerschaft gehbehindert und mit kognitiven Einschränkungen zur Welt. Heute arbeitet er in den Integrationswerkstätten gGmbH Niederlausitz in Senftenberg, wohnt seit zwei Jahren in einer eigenen Wohnung und meistert seinen Alltag. 

 

In der Turnhalle zeigten Dirk Schulze und Martin Große den Kindern, wie sie mit dem Rollstuhl über eine Rampe manövrieren, ein Hindernis umfahren oder eine Bordsteinkante überwinden. Sie beantworteten bereitwillig und gern die vielen Fragen der Kinder („Wie ziehen Sie sich eigentlich die Hose an?“, „Sind Sie schon mal umgekippt?“), erklärten wie wichtig das Anlegen von Schutzprotektoren beim Sport ist und verwiesen auf die Bedeutung von Hilfsangeboten im Alltag. 

 

Im benachbarten Schulgebäude hatte sich derweil Rainer Engelmann aus Finsterwalde gemeinsam mit Kindern um einen Tisch versammelt und begutachtete eine Reihe von Gegenständen, die blinden Menschen in ihrem Alltag helfen. „Damit kann ich erkennen, welche Farbe meine Kleidung hat“, „Das ist ein Taschenrechner für blinde Menschen“, „Mit diesen Karten kann ich Karten spielen“ und „Hiermit erkenne ich, wie viel Flüssigkeit ich in mein Glas gegossen habe“, erklärte er den staunenden Kindern. Natürlich durften die Jungen und Mädchen auch hier selbst ausprobieren, wie sich das Leben mit einer Sehbehinderung in der Praxis gestaltet. So gingen sie nacheinander am Langstock oder blätterten in einem Duden mit Blindenschrift. Auch das Schreiben des eigenen Namens mit einer Punktschrift-Maschine konnte ausprobiert werden. Rainer Engelmann selbst ist mit einer starken Sehbeeinträchtigung geboren und später komplett erblindet. Seit 1997 engagiert er sich als Referent in Projekten wie Toleranz durch Dialog im Nachbarlandkreis Elbe-Elster. „Es ist wichtig, den Kindern frühzeitig Berührungsängste zu nehmen“, findet er. „Schicksalsschläge können jederzeit jeden treffen, egal ob Erwachsener oder Kind. Es ist wichtig zu wissen: Jeden Schicksalsschlag kann man bewältigen. Es gibt nichts im Leben, das man nicht schaffen kann.“  

 

Das sehen auch die beiden Mitreferenten Dirk Schulze und Martin Große so. Wichtig sei es, miteinander in Kontakt zu kommen: „Es gibt so viele Handicaps, über die man sprechen kann. Im Alltag gibt es leider oft noch zu wenige Berührungspunkte. Daher ist es mir ein wichtiges Anliegen, mich in dem Projekt zu engagieren. Auch ich persönlich werde viel für mich mitnehmen können“, unterstrich Martin Große seine Motivation, als Referent bei Toleranz durch Dialog tätig zu sein.  

  

Herzensprojekt – Grundschulen können sich anmelden 

Engagierte Menschen mit Behinderungen und Grundschülerinnen und Grundschüler im Landkreis zusammenzubringen, um die Kompetenzen der Kinder im Hinblick auf Inklusion zu stärken und so das Miteinander nachhaltig positiv zu gestalten – genau darauf zielt „Toleranz durch Dialog“ ab.  Mit dem Projekt wird theoretisches Wissen zum Leben mit einer Behinderung vermittelt, die Kinder erhalten aber zudem auch die Möglichkeit zum praktischen Handeln, Erleben, Kommunizieren und Auseinandersetzen mit einer Behinderung. 

 

Nachdem Toleranz durch Dialog über Jahre hinweg mit vielen engagierten Menschen mit Behinderungen stattfand, endete das Projekt 2021 pandemiebedingt und aufgrund des altersbedingten Ausscheidens vieler Referentinnen und Referenten. Nun lässt die Kreisverwaltung die Maßnahme in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Schulamt Cottbus wiederaufleben. Das Angebot richtet sich an alle interessierten Grundschulen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz. 

 

Neben Rainer Engelmann, Dirk Schulze und Martin Große werden sich auch weitere Frauen und Männer als ehrenamtliche Referentinnen und Referenten in dem Projekt engagieren. Insgesamt elf Personen sind dem Aufruf im Vorjahr gefolgt und haben ihre Bereitschaft signalisiert, in den Schulen mit den Mädchen und Jungen über das Leben mit einer Behinderung zu sprechen. Die Formen der Behinderungen sind, wie die Geschichte der jeweiligen Person, individuell. Sie reichen von Geh- und Sehbehinderungen bis hin zu kognitiven Einschränkungen.

 

Die fachliche Begleitung und Vorbereitung der Referentinnen und Referenten auf ihre Tätigkeit erfolgt durch ein neu gegründetes „Kernteam“, das sich aus Mitarbeiterinnen der Kreisverwaltung und einer Vertretung des Staatlichen Schulamtes zusammensetzt. Dazu gehören Johanna Fischer, Behinderten- und Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, Delia Schäfer vom Bildungsbüro des Landkreises sowie Ute Günther, Lehrerin an einer Grundschule in Elbe-Elster und vom Staatlichen Schulamt mit der Durchführung der Maßnahme beauftragt. An den Schulen selbst bereiten die Lehrerinnen und Lehrer den Tag pädagogisch vor und unterstützen und begleiten die Referentinnen und Referenten sowie die Schülerinnen und Schüler während der Maßnahme.

 

Ermöglicht wird die Durchführung von Toleranz durch Dialog mit Unterstützung zahlreicher engagierter Unternehmen und Personen. So stellt beispielsweise das Unternehmen Medizintechnik & Sanitätshaus Harald Kröger GmbH fünf Rollstühle als Dauerleihgabe bereit. Der FamilienCampus Lausitz in Klettwitz übernimmt deren Transport und Einlagerung. Die Integrationswerkstätten gGmbH Niederlausitz in Senftenberg und die AWO Spreewaldwerkstätten in Lübbenau stellen ihre Mitarbeitenden für diesen Tag von der Arbeit frei. Auch Jeannette Sidneb von der AWO Beratungsstelle für Menschen mit Hörbehinderung engagiert sich. Kosten für die Teilnahme entstehen den Schulen nicht. 

 

Behindertenbeauftragte Johanna Fischer: „Toleranz durch Dialog ist für uns Organisatoren und allen voran für die Referentinnen und Referenten ein Herzensprojekt. Es ist schön, dass wir nunmehr an den ersten Schulen starten können und dadurch selbst auch Erfahrungen für die neue Organisation und Gestaltung sammeln können. Wir würden uns freuen, wenn sich das Projekt herumspricht und sich künftig viele Schulen für die Teilnahme interessieren.“ 

 

Als eine der ersten dafür werben wird künftig auch die Paul-Noack-Grundschule in Schipkau. Schulleiterin Brit Hacke: „In unserer Schule lernen Schülerinnen und Schüler mit und ohne Beeinträchtigung. Mit dem Thema Vielfalt in unserer Gesellschaft wird sich auch im Schulleben und ganz konkret im Sachunterricht sowie in den Natur- und Gesellschaftswissenschaften auseinandergesetzt. Das Projekt Toleranz durch Dialog bietet den Kindern den direkten Kontakt zu Menschen mit Beeinträchtigungen und gibt ihnen die Gelegenheit, Ängste abzubauen, Fragen zu stellen und eigene Erfahrungen zu sammeln, zum Beispiel im Umgang mit einem Rollstuhl oder Hilfsmitteln für Blinde. Es ist uns wichtig, die Kinder für das Thema zu sensibilisieren. Dies ist uns mit den beiden Veranstaltungen an unserer Schule gut gelungen. Wir wünschen für das Projekt alles erdenklich Gute!“ 

 

Anmeldungen sind herzlich willkommen 

Zeitnah versendet das Staatliche Schulamt Einladungen für das kommende Schuljahr 2024/2025 an alle Grundschulen. Interessierte Schulen können sich zudem auch direkt beim Kernteam melden. Gleiches gilt für Personen, die gern als Referentin oder Referent tätig werden wollen oder sich zunächst informieren möchten. 

Kontakt:  Landkreis Oberspreewald-Lausitz, 03573 / 870 41 04, 

Informationen gibt es außerdem unter: www.osl-online.de/toleranzdurchdialog

Weitere Informationen

Fotoserien

Grundschulkinder und Menschen mit Behinderungen kommen zusammen bei „Toleranz durch Dialog“ (FR, 08. März 2024)

Woher wissen blinde Menschen, ob es Tag oder Nacht ist? Wie kommen Rollstuhlfahrer über einen Bordstein, wie in die eigene Kleidung? Und was ist eigentlich die Braille-Schrift? In der vergangenen Woche startete im Landkreis OSL „Toleranz durch Dialog“ in einer Neuauflage. Dabei berichten Menschen mit Behinderungen Kindern an Grundschulen von ihrem Leben, beantworten deren Fragen und geben ihnen die Gelegenheit, durch eigenes Erleben selbst einmal in die Rolle des Gegenübers zu schlüpfen. Den Auftakt machte am Donnerstag und Freitag (29.02., 01.03.) die Paul-Noack-Grundschule in Schipkau.